Siebtklässler zeigen jungen Indern im Online-Projekt ihre Stadt und machen sich virtuell auf die Reise
Anna Nickel sitzt in der 56. Mittelschule und ist in Gedanken 5800 Kilometer entfernt. Die 13-Jährige aus der 56. Mittelschule in Leipzig chattet mit Mysticfreak, eineml4-jährigen Inder aus Neu Delhi. Ihre Lehrer stört das nicht, denn Anna ist eine von 18 Leipziger Realschülern der 7. Klasse, die zusammen mit zwanzig indischen Kindern von Anfang November bis zum 3. Februar an einem interkulturellen Online-Projekt teilgenommen haben. „Das ist eine Schulpartnerschaft auf Internetbasis“ erklärt die Projektbeauftragte auf deutscher Seite, Sandra Grasset.
Das Projekt ist die Diplomarbeit im Fach Medienpädagogik von Sabine Linke. Sie ist vorort in Neu Delhi und steuert von dort aus die Entwicklung eines Online-Spiels. Die deutschen und indischen Kinder stellen ihre Stadt dem Partnerland vor. Dafür beschreiben sie in Artikeln ihre Sehenswürdigkeiten und erarbeiten Quizfragen, in denen das Wissen nachgeprüft wird. Im Deutschunterricht haben die Schüler Artikel über das Leipziger Stadion und das Gewandhaus geschrieben und zum Teil erst erfahren, dass es in Leipzig auch eine Russische Kirche gibt. Im Kunstunterricht haben sie Zeichnungen und Stadtpläne gemalt, die später eingescannt und ins Internet gestellt worden sind. Im Englischunterricht haben sie ihre Texte dann für die Inder übersetzt. Birgit Heinke, die Deutsch- und Klassenlehrerin der siebten Klasse, berichtet vom fächerübergreifenden Unterricht: „Für die Schüler ist es eine neue Erfahrung, sich mit den Sehenswürdigkeiten ihrer Stadt zu beschäftigen.“ Etwa acht Stunden pro Woche nahm das Projekt in Anspruch.
Heute ist der erste Tag, an dem die Leipziger Schüler, die sich zuvor mit ihrer Stadt beschäftigt haben, das Quiz der indischen Schüler testen. Auf der Internetseite www.namaste-gutentag.com können sie zur Abschlussfeier auch mit den Schülern auf dem anderen Kontinent chatten. Jeder Jugendliche kann jedem schreiben. Das ist erstmal interessanter. Der Benutzername in Klammern zeigt an, welcher Schüler auf dem asiatischen Kontinent angeschrieben wird. „Ich weiß, dass er gerne Harry Potter guckt“, erzählt Anna Nicken über Mysticfreak. Unter den im Forum abgelegten Profilen sind die indischen und deutschen Benutzernamen aufgelistet: Wenn Anna auf Mystikfreak klickt, dann erscheint dort das Porträt des 14-jährigen N. Krishnan. Er hört gern Linkin Park und Papa Ro-ach. Linkin Park hat Anna Nicken auch mal eine Zeit gehört. „Kein Deutsch.“ ermahnt Sabine Linke aus Neu Delhi über das Internet zur Disziplin, als einige deutsche Sätze auf den Bildschirmen aufleuchten. Die Austauschsprache ist Englisch, weder Hindi noch Deutsch. „Den Kindern wird eine Menge abverlangt, vielleicht sind sie manchmal leicht überfordert, doch wir wollten Schüler im selben Alter für das Projekt auswählen“, berichtet Englischlehrerin Angelika Schäfer. Anna Nicken hämmert derweil in ihren Laptop Richtung Neu Delhi: „Ich bin ein großer Fan von Christina Aguilera.“
Quelle: LVZ, 09.02.2007
Autor: Kendra Reinhardt